Angelika Doppelbauer
Frenzi Rigling wurde in Schaffhausen in der Schweiz geboren. Sie studierte an der Schule für Gestaltung in Zürich Malerei. In ihrer künstlerischen Praxis sucht sie in konsequenter Weise das Spannungsfeld von bedeutend und unbedeutend auszuloten. Sie agiert dabei auf vielen verschiedenen Ebenen, arbeitet mit unterschiedlichen Mitteln, Materialien und Techniken. Ihr Zugang ist stark konzeptionell geprägt. Ihre forschende Tätigkeit bezieht den Alltag mit ein, scheint viel mehr von diesem selbst auszugehen. Über ihre Kunst sagt sie: „Eine Methode zu entwickeln, wie eine Haltung sichtbar wird, ohne ein definiertes Endprodukt zu haben, das interessiert mich.“ ¹ . Frenzi Rigling lebt und arbeitet in Wien und Obermarkersdorf in Niederösterreich.
Was im Leben eines Menschen wichtig und bedeutend ist, ist sehr individuell und von vielen Faktoren abhängig. Es hängt vom kulturellen Kontext, von der eigenen Lebensgeschichte ab und natürlich von gesellschaftlichen Übereinkünften. Manche Faktoren werden wahrscheinlich von vielen Menschen als bedeutend erachtet wie Gesundheit, gesicherte Verhältnisse, Freundschaft, andere sind von Vorlieben abhängig. Im Leben von Insektenforschern haben diese eine große Bedeutung, wohingegen andere Menschen, sie vielleicht gar nicht bemerken, beziehungsweise als lästig empfinden. Das gleiche Phänomen, das für Dinge zutrifft, gilt auch für Tätigkeiten. Welche Arbeit ist bedeutend und welche nicht? Kommt es darauf an, wie viel man für eine Arbeit bezahlt bekommt, was dabei herauskommt oder wie zufrieden sie einen macht?
Viele alltägliche Arbeiten im Haushalt, die oft weiblich konnotiert sind, gelten in der Gesellschaft als unbedeutend. Gerade ihre häufige Wiederholung lässt sie weniger bedeutend erscheinen. Dies ist in Analogie zu Dingen zu sehen, bei denen auch oft diejenigen als bedeutend angesehen werden, die selten vorkommen, oder schwer zu erlangen sind.
Weder ist Bedeutung ein messbarer objektiver Wert, noch ist sie unveränderbar. Durch die Verschiebung der Perspektive kann jede/r sich dafür entscheiden, manches wichtiger und manches weniger wichtig zu nehmen. Welche Bedeutung hat zum Beispiel unsere tägliche Kleidung für uns? Manche Menschen denken Stunden lang darüber nach, welche Kleidung sie anziehen, andere verschwenden daran keinen Gedanken. Frenzi Rigling betrachtet dieses Phänomen aus ihrer künstlerischen Perspektive und widmet ihrer täglichen Kleidung ein Werk, das klein begann und in seiner Konsequenz und der Dauer seiner Entstehung mittlerweile große Bedeutung erlangt hat. Jeden Tag zeichnet die Künstlerin auf ein weißes Blatt Papier die Kleidungsstücke, die sie an diesem Tag getragen hat. Von der Unterwäsche bis zu den Winterstiefeln entsteht so ein Tagebuch der Alltagskleider, das mit feiner, reduzierter Strichzeichnung die Veränderung der Jahreszeiten spiegelt und den Ablauf der Zeit vor Augen führt. Jede Zeichnung ist mit dem Wochentag und dem Datum versehen. Neben dem äußerst ästhetischen Reiz der Serie regen die Daten die Phantasie der Betrachtenden an. Was habe ich am Mittwoch 23. Jänner 2013 gemacht? Welche Kleidung werde ich wohl getragen haben? Welche Kleidung trug Frenzi an meinem 40. Geburtstag?
Wie in der Tagebuchserie der täglichen Garderobe spielen Textilien eine wichtige Rolle im Schaffen von Frenzi Rigling. Auch hier stellt sich die immer wiederkehrende Frage nach der Bedeutung und die Möglichkeit von Bedeutungsverschiebungen. Wenn ich aus einem Stück Stoff Teile für ein Kleidungsstück herausschneide, ist dann das Kleidungsstück, das daraus entstanden ist das Bedeutende, oder der Stoffrest, der übrig geblieben ist? Wie würden Sie urteilen? Frenzi Rigling entscheidet sich für beides. Sie fertigt Kunstwerke aus Kleidungsstücken aber auch aus Stoffresten, die manche vielleicht als wertlos erachten würden. Die Reste stammen aus dem ehemaligen Schneiderinnen-Atelier ihrer Mutter und werden von der Künstlerin gesammelt. Sie zeigen charakteristische Formen ausgeschnittener Kleiderschnitte und werden zu Ausgangspunkten für neue Formzusammenstellungen, die sie auf Leinwände oder zusammengenähte Stoffe drapiert.
So wie die tägliche Hausarbeit Ausgangspunkt und Inspiration für viele Kunstwerke im reichen Schaffen von Frenzi Rigling darstellt, so schöpft sie auch aus ihrem Garten wie aus einer unendlichen Quelle. Fotoserien zeigen Pflanzen, Blätter und Pflanzenteile. Eine besondere Bedeutung verleiht sie dem Salbei – Salvia. Diese Pflanzengattung taucht in nahezu 900 Arten auf allen Kontinenten der Erde auf und ist so für fast alle Menschen verfügbar. Diese wunderbare Vielfalt fasziniert die Künstlerin genauso wie das ansprechende Äußere, der Duft und die Heilwirkung der Pflanze. Sie schreibt die Namen der verschiedenen Arten in einer eigenen Schrift auf Stoff und schneidet sie aus. Die weichen und biegsamen Buchstaben häuft sie auf Papier und fotografiert sie. Durch die unterschiedlichen farbigen Aspekte der Vorder- und Rückseiten des Stoffes ergeben sich changierende Effekte. Die Räumlichkeit der Buchstabenknäuel wird durch die Schattenwirkung der Beleuchtung verstärkt.
Selbst die uralte Technik des Malens auf Leinwand wirft im künstlerischen Schaffen von Frenzi Rigling die Frage nach der Bedeutung auf. Was ist bedeutender: der Malgrund oder die Malerei? Wieder entscheidet sich die Künstlerin für beides. Sie verwendet keine beliebige Leinwand, sondern malt auf einem transparenten, locker gewebten Stoff. Manche Stellen des Malgrundes verstärkt sie, indem sie Stoffteile von hinten aufnäht. Von vorne wirken diese Passagen dann weniger transparent als der Rest. Auf die so präparierte Bildfläche setzt sie mit Lack reizvolle Formen, die in mehreren Schichten ausgeführt sind. Aufgrund des netzartigen Gewebes, hält die Farbe nicht gut auf dem Grund und festigt sich erst durch mehrmaliges Übermalen. Dadurch verändert sich die Oberfläche der Farbe, die mit jeder zusätzlichen Schicht glänzender erscheint. Bei manchen Arbeiten benutzt Frenzi Rigling auch farbige Stoffe als Malgrund. Wie für ihre anderen Arbeiten kauft sie diese Stoffe nicht, sondern schöpft aus den Stoffresten ihrer Mutter. Hier drängt sich der bemalte Grund noch mehr in den Vordergrund und wird zu einem eigenen Gestaltungselement. Das Medium der Malerei scheint weniger bedeutend. Es ist austauschbar und die gemalten Formen können gleichwertig durch geschnittene Stoffstücke ersetzt werden.
Um Stoffreste zu verwerten, fertigt die Künstlerin Stoffstreifen, indem sie schmale Bahnen zusammennäht. Diese bunten Fransen baumeln von der Decke und werden zu einem textilen Objekt. Die von der Decke hängenden bunte Stoffstreifen bilden einen farbigen Kontrast zu den reduzierten Leinwänden. Üppig schwelgt die Künstlerin hier in starken Farben und reicher Haptik. Auch hier stellt sich die Frage: Ist es bedeutender von vorhandenem Material auszugehen und daraus ein Kunstwerk zu schaffen, oder von der Idee zu einem Kunstwerk und danach das Material zu wählen? Nachhaltiger ist mit Sicherheit ersteres.
Viele Werke von Frenzi Rigling regen dazu an, die Welt anders und neu zu sehen. Es gibt dazu viele Möglichkeiten. Kleine Dinge mit Bedeutung zu füllen ist eine davon. Eine andere besteht darin, die Realität als magisch, geheimnisvoll und mystisch wahrzunehmen. Diese Sichtweise begleitete die Menschheit viel länger als die heutige, von den Naturwissenschaften geprägte Perspektive und findet sich zum Beispiel in Märchen und Mythen. Es bedarf dazu keiner großen Anstrengung, lediglich einer kleinen Rückung, um Altbekanntes einmal ganz anders zu interpretieren.
¹ Fragen an Frenzi Rigling von Stella Rollig