Brigitte Huck
Hitchcocks Film Frenzy ist ein gnadenlos zynischer Thriller, schockierend und moralisch eher ambivalent. Frenzy bedeutet Wahnsinn, Raserei, Leidenschaft. Frenzi wiederum, ist eine beliebte schweizerische Koseform für Franziska. Ein netter, ein freundlicher Name. In diesem Spannungsfeld von Harmlosigkeit und Neurose bewegt sich Frenzi – Franziska – Riglings Kunst, die bei aller lauteren Stofflichkeit auch immer etwas leicht Schräges und Abwegiges hat.
In der Arbeit Diagramm macht Frenzi Rigling das eigene Leben zum Thema. Auf 365 DIN A4 Blättern verzeichnet sie die Kleidungsstücke, die sie während eines Jahres täglich trug, vom Frühjahr 2005 bis zum Frühjahr 2006. 365 mal Rock, Bluse, Wäsche, Schuh. Je nach Jahreszeit kommen Mäntel und Jacken oder Mützen dazu. Was morgens angezogen wird, zeichnet die Künstlerin abends auf. Notate aus schwarzem Filzstift, in einfachen, schematischen Strichen, schnell und bewußt trivial. Die Umrisslinie ist das vereinheitlichende Stilelement. Sachlich, in beinahe identen Wiederholungen, listet Frenzi Rigling ihre Garderobe auf, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und, wie sie es vorhat, Jahr für Jahr. Während die Blatt um Blatt durchdeklinierten Motive die hehren Semper’schen Ideale von Hülle, Verhüllung und Sicherheit suggerieren, treibt Rigling ihren Sujets – angesichts unverhohlen zur Schau gestellter Zweckdienlichkeit – den Glamour aus. Beflissen dokumentiert sie ihre tägliche, routinierte Choreografie am Körper. Das Musterbuch als Chiffre für die Etappen des Lebens. Als streng konzeptuell strukturierte Arbeit reihen sich Riglings Kalenderblätter unter den Selbstportraits und Selbstinszenierungen von Künstlerinnen ein, die von Cindy Shermann bis Friedl Kubelka Bondy, das differenzierte Bild weiblicher Identitätssuche verhandeln.
Die Objektivität der Darstellung ist den positivistischen Modellen der Wissenschaft verpflichtet, den nachprüfbaren Wahrheiten und einem gewissen fundamentalen Realitätsinn.
Frenzi Rigling ist eine höchst subtile Zeichnerin, die den Buntstift Stabilo Soft Colour 1500/300 in feinsten Schattierungen zum Schwingen bringt. In ihrem „Women’s Wear Daily“-Tagebuch verbietet sie sich jedoch Emotionen aller Art. Sie bricht die Zeichnung auf ein Diagramm herunter und gibt ihren Inhalt für kritische Analyse frei. Wer hinschaut, erhält Aufschluß darüber, wie sich die Künstlerin selbst sieht und darstellt. Und dabei jene manipulativen Mechanismen freilegt, die die Basis für Klischees und abgeschmackte gesellschaftliche Übereinkünfte zu den Kapiteln Frauen, Familie, Repräsentation und Identität sind.
Kleidungsstücke – vielfach die ihrer Familie – hat Frenzi Rigling immer wieder als Material für ihre Installationen verwendet. Ob sie zu einem endlosen Teppich vernäht werden, in den Weinviertler Leiser Bergen verrotten, zu Knäueln geformt oder – wie in der laufenden Ausstellung – zu Schuh-in-Schuh Skulpturen ineinandergesteckt werden, das Motiv des eigenen Tuns, die Arbeit selbst spielt in der Praxis der Künstlerin eine wesentliche Rolle.
Auf dem Monitor ist Hitchcock’s Film zu sehen. Der Mörder ist Gemüsehändler, er versteckt die Leiche im Kartoffelsack. Das Entsetzen im Alltäglichen ist der Antriebsriemen für die elastischen Systeme der Frenzi Rigling.